Freibad Herrenberg - In Badehose und Gummistiefeln - 5/2015

aus Stuttgarter Zeitung 16.05.2015

In Badehose und Gummistiefeln

Von Kata Kottra 16. Mai 2015 - 20:00 Uhr

Wie fühlt sich das Wasser in einem Naturbad an, das allein durch Pflanzen und spezielle Filter gereinigt wird? Das wollten die Besucher des neues Herrenberger Freibades wissen und ließen sich auch vom trüben Wetter nicht abschrecken.

Die Regenduschen im Herrenberger Freibad sind Blättern nachempfunden. Foto: factum/Bach
Die Regenduschen im Herrenberger Freibad sind Blättern nachempfunden.Foto: factum/Bach

Herrenberg - Ein eleganter Köpfer wurde es dann doch nicht. Auf dem Fünf-Meter-Brett stehend tat Thomas Sprißler so, als würde er in der letzten Sekunde kneifen wollen – dann fasste der Herrenberger Oberbürgermeister sich ein Herz, hielt sich die Nase zu und sprang ins Becken des neu eröffneten Herrenberger Freibades. Gleichzeitig mit ihm hüpften seine Mitarbeiter und viele Gemeinderäte vom Beckenrand, so dass eine kleine Welle auf die Schuhe der Besucher schwappte.

Trotz des bewölkten Himmels und wenig Freibad-tauglicher Temperaturen waren viele hundert Besucher zum Herrenberger Ereignis des Jahres gekommen – manche in Badehosen, andere in Gummistiefeln. Im neuen Freibad wird das Wasser nicht durch Chlor, sondern biologisch gereinigt – das ist einzigartig im Landkreis. In der Region Stuttgart haben nur die Freibäder in Schorndorf und Stetten (beide Rems-Murr-Kreis) ähnliche Anlagen.

Befürchtungen vor einer „trüben Brühe“

Im Vorfeld hatten Kritiker die Befürchtung geäußert, das Wasser würde deshalb einer „trüben Brühe“ gleichen. Davon war am Tag der Eröffnung keine Rede mehr. „Ein bisschen wie das Wasser im Bodensee“, würde es sich anfühlen, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Sarah Holczer nach dem ersten Eintauchen. Als „griffig“ beschrieb der Herrenberger Sportlehrer Andreas Dold das grünlich schimmernde Nass. Und selbst Hermann Thumm, in Herrenberg als Kritiker der Naturbad-Pläne bekannt, zeigte sich nach den ersten Bahnen „angenehm überrascht“ von der Wassertemperatur. Seine hygienischen Bedenken sieht er allerdings nicht vollständig ausgeräumt.

Nebenwirkungen von Chlor bleiben den Besuchern erspart

In einem Naturbad wird das Wasser durch ein Filtersystem gereinigt, das aus Wasserpflanzen und einem speziellen Filtersubstrat besteht. Das Wasser aus dem Schwimmbecken fließt durch die Filter langsam nach unten – Bakterien, Keime und organische Materialien werden dabei entfernt. Während allerdings Chlor Keime innerhalb einer Sekunde abtötet, dauert die biologische Reinigung länger. Die Nebenwirkungen von Chlor wie brennende Augen oder der unangenehme Geruch bleiben den Besuchern von Naturbädern hingegen erspart. Im Herrenberger Naturbad wird nur das Wasser im Kleinkinderbecken konventionell gereinigt – dort, wo erwartungsgemäß besonders hohe Keimkonzentrationen auftreten können.

Das alte Herrenberger Freibad ist bereits in den 1930er Jahren erbaut und im vergangenen Herbst geschlossen worden. Besonders für Jugendliche galt es als nicht mehr attraktiv. Das neue Naturbad setzt auf einen Sprungturm, eine Kletterwand und einen Beach-Volleyball-Platz, um diese Zielgruppe anzulocken. Es gibt auch einen Sandstrand und auf Wunsch der Sportler sechs wettkampftaugliche 50-Meter-Bahnen. Insgesamt zirkulieren 3,3 Millionen Liter Wasser in den Schwimmbecken. Die Bauzeit des 5,7 Millionen Euro teuren Freibades hat 14 Monate gedauert.